Beuys-Komma-Kricke-Komma-Cragg

25. April 2014 § Hinterlasse einen Kommentar

Herein spaziert in die Akademie-Galerie.

Im Gebäude der von 1883-1918 bestehenden Kunstgewerbeschule untergebracht, hat diese Kunstinstitution am Burgplatz 1, sicherlich eine der besten Standorte im bunten Reigen der Quadriennaleteilnehmer. Auf der Homepage der Kunstakademie wird die seit 2005 bestehende Akademie-Galerie als Herberge des „Gedächtnis[ses] der Institution“ und als „Ort der Selbsterfahrung und der Selbstreflexion“ beschrieben. Naja gut. Andere Kunsthochschulen haben architektonisch und ausstellungstechnisch höchst innovative Ausstellungsräume angegliedert (denkt hier auch jemand an den Portikus in Frankfurt?) aber sind eben nicht Düsseldorf, haben eben nicht Beuys und Lüpertz und Cragg und wie sie alle heißen gehabt und können sich deshalb nicht immer wieder und wieder darauf berufen.

Aber ich komme ab von der Spur der Erfindung, denn darum soll es hier gehen. Um eine Ausstellung von Zeichnungen von insgesamt 20 Bildhauern und Bildhauerinnen. Man kann dieses Projekt als Ergänzung zu „Die Bildhauer“, einer retrospektiv und äußerst umfassenden Ausstellung, welche Ende letzten Jahres in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen stattfand, lesen und darin einen durchaus sinnvollen Anknüpfungspunkt finden. In der Präsentation sieht das dann folgendermaßen aus: Da begrüßt einem ein Quartett zurzeit lehrender Professoren im ersten Raum: Kiecol, Fritsch, Grünfeld, Trockel. Mataré, Kricke und Deacon sind natürlich auch von der Partie und irgendwo am Ende darf Tony Cragg neben Joseph Beuys stehen. Die insgesamt sechzehn „Düsseldorfer“ werden durch vier „auswärtige“ Bildhauer ergänzt, beispielsweise durch Fred Sandback der einen eigenen Raum bekommt (der ihm sehr gut steht) und Hans Uhlmann der mit der wenig schmeichelhaften Flursituation vorlieb nehmen muss. In Blöcke gehängt, jede Künstlerpersönlichkeit ganz für sich, stehen so die einzelnen Positionen in klassischer Rahmung nebeneinander. Eine präsentationgewordene Aufzählung von Namen. Aber eine solche Aufzählung lässt der Handzettel verlauten, „beweist den Rang der Bildhauergeschichte der Akademie“. Durchbrochen wird diese Strenge nur ab und zu durch werkimmanenten Witz und Charme. Er wohnt beispielsweise den „Zeichnungen“ einer Rosemarie Trockel inne, die gemäß ihrem künstlerischen Ansatz, vielmehr Seiten aus Notizbüchern mit Fotoschnipseln und sinnigen Notizen sind. Oder aber wenn Fritz Schwegler einen Einblick in sein „Effesch“ gibt, deren fleischgewordene Bewohner dann auch als dreidimensionale Objekte nebenangestellt sind.

Bezüglich des Quadriennalemottos „Über das Morgen hinaus“ teilt der Handzettel mit: „Auf diese Vorgabe reagiert die Akademie-Galerie nicht mit der Ausstellung von Utopien und Visionen, sondern mit der Darstellung konkreter künstlerischer Prozesse, die in ein noch unbekanntes Morgen münden können.“ Man könnte das jetzt fast als rebellische, weil dem Quadriennaleansatz entgegenlaufende, Attitüde interpretieren. Oder aber anerkennend bemerken, dass die Akademie-Galerie sich dann irgendwie tatsächlich sehr gut selbstreflektiert. Sie will nichts sein, was sie nicht kann – und das ist ja schon fast wieder sympathisch. (RD)

Buchstabensalat

24. April 2014 § Hinterlasse einen Kommentar

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Weiß in Schwarz und Schwarz auf Weiß

21. April 2014 § 2 Kommentare

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Bilder auf sterilen, weißen Wänden! Dies ist immer noch die häufigste Variante, Werke der Moderne zu präsentieren, so auch im K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Doch dieses Mal ist etwas anders!
Betritt der Besucher die Ausstellungshalle, so steht er zunächst auf dem Steinboden des Museums. Ihn umfangen kahle, schwarz gestrichene Wände, auf denen zur Rechten ein neon-oranger Zeitstrahl die wichtigsten Daten zur aktuellen Ausstellung festhält. Kandinsky, Malewitsch, Mondrian – Der weiße Abgrund Unendlichkeit lautet der Titel. Diesen Abgrund betritt der Besucher erst mit seinem zweiten Schritt in die Ausstellung. Losgelöst von den starren Museumswänden werden die Werke in einer weißen, offenen und mobilen Ausstellungsarchitektur gezeigt. Der White Cube wird so zum Teil eines Black Cubes und die Unendlichkeit kann beginnen.
Freundlich wird man von einem farbenfrohen Werk Kandinskys begrüßt, Komposition IV aus der museumseigenen Sammlung. Rechts davon ist vermutlich das bekannteste Werk der Ausstellung gehängt, Das schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch. Zur Linken führt ein kleiner Text in die Werke der drei Künstler ein. Die lockere Architektur gibt keinen festen Weg durch die Präsentation vor und man kann sich ganz natürlich von den Werken selbst leiten lassen. Erst mit der Zeit merkt man, dass die Kunstwerke so angeordnet sind, dass sich links die Bilder Kandinskys, mittig die von Malewitsch und rechts die von Mondrian befinden. So wird einem sowohl eine monografische, als auch eine synoptische, vergleichende Betrachtung angeboten. Gleichzeitig bleiben spontane und subjektive Ideen und Verknüpfungen möglich.
Vier kleine Räume innerhalb des White Cubes erweitern die Exposition, indem in ihnen verschiedene Kontexte, von Goethes Farbenlehre über die Sonnenfinsternis von 1919 bis hin zu Künstlerzeitschriften der damaligen Zeit, verdeutlicht werden. Der Raum der Theosophie beinhaltet unter anderem Auszüge von Lewis Carrolls Alice im Wunderland und Alice im Spiegelland. Dies kann man auch als Brückenschlag zum zweiten Museum der Kunstsammlung NRW sehen, wo Unter der Erde. Von Kafka bis Kippenberger läuft. Befindet sich Alice im zweiten Teil der Geschichte im Spiegelland, so war sie zuvor im unter der Erde liegenden Wunderland.
Die Verknüpfung der beiden Ausstellungen wird nicht nur durch den Shuttlebus, der zwischen dem K20 und dem K21 pendelt, praktisch aufgegriffen, sondern spiegelt sich auch in der Gestaltung des Ausstellungstagebuchs für Kinder wider. Dieses ist kostenlos an den Kassen der beiden Museen erhältlich und führt anregend und spielerisch durch die Ausstellungen. Für Erwachsene gibt es im K20 ebenfalls ein kostenloses Begleitheft. Dieses ist jedoch nur auf Deutsch erhältlich. Einen Audioguide gibt es nicht und auch der Großteil der Texte und Zitate der Ausstellung sind nur auf Deutsch abgedruckt. Dabei wird das Museum seinem hohen Anspruch durch die beachtliche Auswahl der Werke, die aus den größten Sammlungen der Welt stammen, gerecht und spricht damit auch ein internationales Publikum an. (MK)

Der wunderbare Rhein

19. April 2014 § Hinterlasse einen Kommentar

Der_wunderbare_Rhein

Wer sich Düsseldorf während der Quadriennale noch etwas intensiver ansehen möchte, für den haben wir mit unserer Kategorie „Routen“ genau das Richtige. „Der wunderbare Rhein“ zeigt einen Spaziergang zwischen der Stoschek Collection, dem KIT und dem KAI 10, bei dem man einen fantastischen Blick auf den großen Fluss hat und nebenbei noch weitere Kunstwerke im öffentlichen Raum Düsseldorfs entdecken kann! (MK)

Von Auge bis Hand

14. April 2014 § Hinterlasse einen Kommentar

Wer nach einer Einzelausstellung im Programm der Quadriennale sucht, wird einzig im KIT – Kunst im Tunnel fündig. Unter dem Titel Der berührte Rand werden dort sieben Werke der jungen Kölnerin Pauline M’Barek präsentiert. Aber was heißt schon „Präsentation“ – das KIT unter der künstlerischen Leitung Gertrud Peters bzw. die Künstlerin selbst hat sich vielmehr die Aufgabe gestellt, den ungewöhnlichen Raum unter der Rheinuferpromenade sowohl thematisch wie auch räumlich unter ein einheitliches Konzept zu stellen.

Den Auftakt bei der Begehung des Tunnels macht M‘Bareks Videoarbeit „Semiophoren“ (2013). Zusammen mit „Void“ (2014), ist sie die überzeugendste Arbeit der Ausstellung, außerdem verdeutlichen beide das zugrundeliegende Thema von Bareks Soloschau: Berührung in einem buchstäblichen und einem auf die Wirkkraft der Kunst übertragenen Sinn. Das Schöne an ihnen ist, dass beide dies auf sehr reduzierte und doch sehr eindringliche Art und Weise tun. In „Semiophoren“ also, kann der Besucher zwei weiß-behandschuhte Hände in Nahaufnahme, genauer gesagt, wie diese verschiedene Gegenstände betasten, in aller Ruhe betrachten. Direkt auf den grauen, grobporigen Beton des KIT projiziert verschmilzt das schwarzweiße Videobild mit der Wand. Das hat zur Folge, dass die betasteten Gegenstände nur dann in ihrer Form erkennbar werden wo sie sich vor den leuchtend hellen Handschuhen abzeichnen. Ein paar Meter weiter, gibt die Kamera in „Void“ ihren herangezoomten, statischen Blick erneut auf zwei Hände frei, die nun im direkten Hautkontakt einen Klumpen Ton zuerst schlagen und dann die feuchte Masse auf einer Drehscheibe zu verschiedenen, bauchigen Gefäßen hochziehen. Obwohl diese Vorgänge weder spektakulär noch neu sind, schaffen M‘Bareks Arbeiten doch einen Sog beim Betrachter auszulösen. Allein durch die Isolation bzw. Konzentration auf diese Vorgänge schaffen sie es, mittels des Sehsinns beim Betrachter eine haptische, körperliche Erfahrung heraufzubeschwören – das Gefühl von nassem, schmierigem Ton, der sich durch die Zwischenräume der Finger quetscht wird evoziiert. Eine andere Variation des gleichen Themas beschreiben 73 „Artefakte“ (2014). Sie sind auf einem beleuchteten Spiegelregal aufgereiht, das sich an die Flanke, der sich nach hinten verjüngenden Architektur, anschmiegt. Wer sich zuerst durch Materialität und Form an Gebissgipsabgüsse erinnert fühlt liegt gar nicht so falsch. Die zerbrechlichen Gebilde, die durch ihre Spiegelung auf ihrer Unterlage in einer Art Rohrschacheffekt noch fragiler und fantastischer wirken, rühren tatsächlich von Körperabdrücken her. Feine Liniengeflechte rufen die Struktur von Haut in den Handinnenflächen hervor. Spezifische Einkerbungen verraten in Größe und Abstand den Verformungsvorgang von Fingern. Diese Beschreibung ist aber nur die halbe Wahrheit und wird den surrealen, fragilen Artefakten, die zum Vergleichen und dem Nachvollzug ihrer Transformationsprozesse einladen, nicht gerecht.

Was den Versuch betrifft, im durchaus schwierigen Raum des KIT eine kohärente Rauminstallation zu schaffen – er wirkt manchmal etwas zu bemüht. Die wiederkehrenden Themen, Materialien und Ästhetiken M‘Bareks verflechten die Einzelpositionen ja bereits miteinander. Verstärken soll diesen Effekt dann auch noch der Bezug zum Raum, der durch die außergewöhnliche Architektur natürlich fast danach verlangt. Dazu wurde von M‘Barek eigens eine mit „Schleife“ (2014) betitelte Arbeit aus Tape geschaffen. Die weiß-grauen Bahnen (böse Gesellen denken an den gleichen Hersteller wie vom überall wuchernden (lila) Geflecht des Quadriennalemarketings) ziehen sich über Boden und Wände, überkreuzen sich, ziehen den langgestreckten Raum noch weiterzusammen. Dagegen ist nichts einzuwenden, es funktioniert auch irgendwie. Es wirkt aber gleichzeitig – wie manch andere Entscheidungen – so als ob ein Horror vacui, die Angst vor zu viel Raum, über die Qualität der ausgestellten Arbeiten gestellt wurde. Dann ist es vielleicht auch nicht schade, dass scheinbar keine Arbeit für den Eingangsbereich des KIT gefunden wurde. Gerade der sich in der horizontalen verjüngende Teil des Tunnels, der sich gleich beim Betreten des Untergeschosses eröffnet, war aber bereits des Öfteren spannender Ideengeber oder Rahmen für künstlerische Arbeiten.

Trotz der kleinen Wehmutstropfen ist Der berührte Rand aber eine sehenswerte Ausstellung. Im großen Kontext der Quadriennale, die sich ja bekanntlich dem super-allumspannenden Thema „Über das Morgen hinaus“ widmet, stellt diese Ausstellung eine kleine aber beharrliche und in ihrer Schlichtheit schöne Position dar. Das soll nicht heißen, dass sich alles nur um Tast- und Sehsinn und deren Verknüpfung dreht, gar der Eindruck einer unterkomplexen Ausstellung aufkommt. Weitere Ideenhorizonte wie Innen-Außen, die Frage nach dem Wert und der Auswahl von museumswürdigen Artefakten (auch der Titel „Semiophoren“ ist so ein Hinweis) könnten weitergespannt werden. Müssen aber ja nicht unbedingt immer, weil eine kleine Herausforderung und Berührung der Sinne manchmal schon genug ist. (RD)

Ausflug auf die Metaebene

8. April 2014 § Ein Kommentar

Die erste Ausstellungsbesprechung auf diesem Blog

könnte man doch zum Beispiel…über die Ausstellung Zum Beispiel…„Les Immatériaux“ schreiben. Das bietet sich als Auftakt geradezu an, denn der Beitrag des Kunstvereins der Rheinlande und Westfalen, und namentlich der beiden Kuratoren Hans-Jürgen Hafner und Christian Kobald, zur Quadriennale setzt an der Metaebene des Ausstellungsbetriebs und damit den die Quadriennale im wesentlichen konstituierenden Bestandteilen an. Als eine Ausstellung über das Ausstellen, eine selbstreflexive Befragung nach den Grenzen der Wissensvermittlung dieses kulturellen Formats und seinen Erfahrungsmöglichkeiten will sie sein – und erfüllt diesen Anspruch, soviel sei vorweggenommen. Was zunächst einmal schwierig bis überfordernd klingt, könnte man als programmatische Fortführung der Ausstellung „Les Immatériaux“, die 1985 in Paris stattgefunden hat, werten. Die Wirkung auf seine Besucher dieses nun in Düsseldorf thematisierten Projektes wird nämlich als sowohl intellektuell wie auch sinnlich und körperlich überfordernd überliefert.

Aber der Reihe nach.

„Les Immatériaux“ war eine vom Philosophen Jean François Lyotard zusammen mit seinem Mitkurator Thierry Chaput im Centre Georges Pompidou initiierte Ausstellung. Kunstinteressierten Menschen wie mir, die schon aus alterstechnischen Gründen nicht daran teilnehmen konnten, wird sie heutzutage als „mythisches“ Projekt in Erinnerung gerufen, das sowohl thematisch als auch in seinen Präsentations- und Vermittlungsformen neue Wege beschritt. Konzeptionell liegt der Präsentation Lyotards These, Wissen, Information, Denken und Wahrnehmung verändern sich und werden zunehmend immateriell, zu Grunde. Die Exponate, die dafür herangezogen wurden, waren äußerst vielfältig und keineswegs auf Werke von bildenden Künstlern beschränkt. Sie kamen gleichsam aus anderen Kunstsparten wie Musik, Architektur aber auch aus dem Bereich der Technik bzw. Wissenschaft oder der Mode. Diese wurden nun, wie bereits erwähnt, auch noch auf äußerst ungewöhnliche Art und Weise präsentiert. Die Besucher der Ausstellung sahen sich mit einem verschachtelten Ausstellungsparcours konfrontiert, der verdunkelt war und dadurch die physische Bewegung durch die Räume zusätzlich erschwerte. Weitere sinnliche Reize waren Toncollagen, die über ein Kopfhörersystem vermittelt, weiterführende Zitate aus Philosophie und Literatur in die Ohren der Besucher sendeten.

Wie sich nun also einer solch außergewöhnlichen Ausstellung, rund 30 Jahre später, annähern?

Im langestreckten Raum des Kunstvereins trifft der Museumsbesucher auf eine räumliche Anordnung, die von einem, den ganzen Raum in seiner Längsachse dominierenden Schaukasten, durchzogen wird. Auf ihm werden allerlei Originaldokumente rund um „Les Immatériaux“ präsentiert. Der Besucher kann eintauchen in Notizen und diagrammatische Skizzen Lyotards, die originale Pressemappe und den Katalog sowie Raumpläne und Korrespondenzen. Weitere – digitalisierte – Dokumente sind, auf ebenfalls als Tische konzipierten Monitoren, einsehbar. Was der neugierige Besucher allerdings nicht finden wird, sind Fotografien der originalen Ausstellung, die in einem ersten Gedankengang vielleicht hilfreich erscheinen mögen, um sich „vorstellen“ zu können wie Lyotards „Les Immatériaux“ denn nun bitte real und in ihrer materiellen Präsentationsform ausgesehen haben mag.

Den Ausstellungsmachern ist bewusst, dass es einen derzeitigen Trend in der künstlerischen und kuratorischen Praxis gibt, historische Ausstellungen ihrerseits wieder zum Gegenstand von Ausstellungen zu machen. Dass dies schnell in einen illustrativ- didaktischen Habitus verfallen kann, konnte ich jüngst im Jewish Museum in New York und der dortigen Reflektion der paradigmatischen Minimalausstellung „Primary Structures“ erleben: Der reale Museumsraum wird dort derzeit mit riesigen fotografischen Ansichten der räumlichen Situation von 1966 durchzogen. Dieser Versuchung verfällt die Ausstellung in Düsseldorf glücklicherweise nicht. Sie will keine Rekonstruktion sein, sondern vertraut vielmehr auf die ihr eigenen Möglichkeiten um sich an ein per se nicht mehr nacherlebbares historisches Ereignis anzunähern. Die mit der Fülle an Information konfrontierten Besucher sollen und können aus dem ausgebreiteten Material selektieren und sich den für ihn passenden Zugang zur philosophischen Denkbewegung Lyotards suchen. Hilfreich ist es dafür natürlich der französischen Sprache mächtig zu sein. Aber selbst wer der sinnlichen oder sprachlichen Überforderung unterliegt, kann den Dokumenten etwas abgewinnen. Wie der Raumplan des verschachtelten Labyrinths von „Les Immatériaux“, Version 1985, exemplarisch verdeutlicht, kann ihnen ebenso eine eigene ästhetische Qualität attestiert werden.

Den  Sprung in die Jetztzeit leistet „Les Immatériaux“, Version 2014, in der Kombination dieser Dokumente mit Werken zeitgenössischer Künstler.

Diese sind – im Geiste des Bezugspunktes – ganz ohne Angabe von Metadaten wie Titel, Jahr oder Künstler in den Raum gestellt. Sie wirken so seltsam befreit und erlauben eine unvoreingenomme Annäherung und Hinterfragung. Auch einen Raumplan oder schriftliche Zusatzinformationen habe ich bei meinem Besuch vergeblich gesucht. Wer möchte findet eine Auflistung aller Exponate allerdings hier.  Aber Vorsicht, es wäre zu überlegen, falls man diese Informationen im Vorfeld abruft, ob man selbst der Idee der Ausstellung widerläuft und sich um die Möglichkeit eines individuellen Erlebens und der Reflektion bringt. In ihrer so betonten Gesamtheit als Ausstellung, erscheinen die Arbeiten ja schlüssig. Die Bandbreite ihrer Medien, von Sound über skulpturale Objekte bis hin zu Video, beschreibt den zeitgenössisch umfassenden Anspruch und dekliniert ihre möglichen Aussagen in verschiedenen „immateriellen“ Zuständen. Am spielerischsten tut dies ein Diaprojektor im Zentrum des Raumes, der weder das allzu vertraute Knacken der Trommel verlauten lässt, noch ersichtlich seiner Funktion nachgeht und etwas projiziert. Und doch sei angemerkt, dass er gut verdeutlicht, dass das Immaterielle erst durch einen materiellen Träger sichtbar werden kann. Gleich dem heraufbeschworenen Geist von Lyotards „Les Immatériaux“, der sich, im Jahre 2014, durch die Art und Weise wie das Format der Ausstellung seine Exponate präsentiert, manifestiert. (RD)

Weiterführendes:

Symposium zu „Les Immatériaux“

Lyotard, Jean François: Immaterialität und Postmoderne, Berlin 1985.

Wunderlich, Antonia: Der Philosoph im Museum: Die Ausstellung »Les Immatériaux« von Jean François Lyotard, Bielefeld 2008.

Neue Sichtweise

7. April 2014 § Hinterlasse einen Kommentar

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Eröffnungsabend der Quadriennale

5. April 2014 § 2 Kommentare

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Freitagabend, 4. April 2014, 18:50 Uhr – es erklingen feierlich die Posaunen, äh ich meine die Quadraphone. Quadraphone? Was ist denn das? Die quadratischen Trichter auf elf der Ausstellungshäuser wurden von dem Komponisten Rochus Aust für die Quadriennale entworfen. Hierüber lässt er gemeinsam mit dem 1. Deutschen Stromorchester die von ihm komponierte Fanfara Futurista über der Stadt Düsseldorf erklingen.
Nun ist es endlich so weit und die Quadriennale 2014 ist eröffnet. Doch wohin geht man als erstes? Das Kunst-Magazin Monopol gab das Ausstellungsprogramm in einem kurzen Überblick wieder, aber es ist Eröffnungsabend und anstatt einer gemeinsamen Eröffnungsfeier gibt es 13 kleine, die alle mit interessanten Vorträgen und Gästen locken. Eine Übersicht hierzu habe ich jedoch schmerzlich vermisst. Schaffe ich es, alle Festivalorte in drei Stunden zu besuchen? Wohl kaum… Ich entscheide mich schließlich dafür, mir keine Rede anzuhören, sondern mir stattdessen ein allgemeines Bild des Abends zu verschaffen und mich von einer Ausstellung zur nächsten treiben zu lassen.
Im Ehrenhof drängen sich die Menschen. Das Museum Kunstpalast präsentiert Kunst und Alchemie – Das Geheimnis der Verwandlung. Zu diesem Thema bietet es in den kommenden Monaten ein beeindruckendes Rahmenprogramm an. Im K20 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen spricht die Direktorin Frau Ackermann in Anwesenheit des Künstlers Olafur Eliasson, dessen aktuelles Projekt im Labor und der Grabbe-Halle des Museums zu sehen ist. Der Saal ist wie immer überfüllt und auch unten vor den Leinwänden der Live-Übertragung tummeln sich die Menschen. Ich nutze die Gelegenheit und werfe in Ruhe einen Blick auf Eliassons Lichtinstallation, bevor ich mich durch die gut besuchte Ausstellung Kandinsky, Malewitsch, Mondrian – Der weiße Abgrund Unendlichkeit in der gegenüberliegenden Klee-Halle des Museums schlängele.
Auf der anderen Seite der Straße befindet sich die Kunsthalle, in der man sich Smart New World und die Ausstellung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen Zum Beispiel „Les Immatériaux“ ansehen kann. Bevor man allerdings Zugang erhält, muss man zunächst ein eigentümliches Eintrittsformular unterzeichnen. Dort heißt es unter anderem: „Der/die Besucher/in akzeptiert durch die Unterschrift mit seinem/ihrem eigenen Namen, dass dieser Name nicht sein/ihr eigener ist, es niemals war und niemals sein wird und dass er nie das Eigentum einer Person sein wird. …“. Möchte ich das wirklich unterschreiben? Eigentlich nicht, aber was tut man nicht alles für die Kunst. Ohne an dieser Stelle etwas vorwegzunehmen, das Risiko, welches man mit der Unterschrift eingeht, hat sich gelohnt!

Abseits des Altstadt-Trubels, wo sich die Junggesellen-Abschiede durch die Kneipen schieben, laufe ich zum Rhein. Die an den Gaststätten angebrachten Fernsehbildschirme übertragen das Fußballspiel Paderborn gegen Düsseldorf. Es steht 1:2. Allmählich wird es dunkel und schon von weitem sehe ich ein lilafarbenes Leuchten. Die Akademie-Galerie wird wie alle anderen Ausstellungsorte der Quadriennale von Strahlern in ein lila Licht getaucht. In ruhigen Räumlichkeiten werden hier die Werke von Auf der Spur der Erfindung – Bildhauer zeichnen gezeigt. Weiter geht es am Rhein entlang. Immer wieder stoße ich auf kleine Quadraphone, die aus Gullideckeln ragen und mit großen Baustellenlampen gekennzeichnet sind. Aus ihnen ertönt die aufgenommene Musik von Rochus Aust und dem 1. Deutschen Stromorchester. In den leisen, kleinen Straßen beim Hetjens-Museum, wo die Bäume und das Museum sanft beleuchtet werden, erklingt sie besonders zauberhaft. In Ton. Ein Aufruf – Keramische Plastik und Baukeramik 1910 – 1930 des Keramikmuseums ist der erste Ansturm schon vorüber und ich kann die Ausstellung fast alleine genießen. Hier mache ich auch meine Errungenschaft des Abends: als Tischdeko hatte das Museum sein Rahmenprogramm zur Quadriennale in Form von Origami-Spielchen präsentiert, vom Quadriennale-Logo ging es über die Leitbegriffe zum Museumsangebot (siehe Foto). Wer kennt dieses Spiel mit den vielen unterschiedlichen Bezeichnungen (Himmel und Hölle, Papierfrosch, Füchschen usw.) nicht aus seiner Kindheit? Eine tolle Idee! Es ist einerseits dekorativ und lädt anderseits zum aktiven In-die-Hand-nehmen und Auseinanderfalten ein.

Mein letzter Punkt für diesen Abend ist das K21 Ständehaus mit Unter der Erde. Von Kafka bis Kippenberger. Bereits im Februar konnte man in der Diskussionsreihe Futur 3 im Schmela Haus, dem dritten Standbein der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, einen kleinen Vorgeschmack auf die Exposition selber und die vielen weiteren Projekte um sie herum erhalten. So gibt es dort neben einer sehr schön kuratierten Ausstellung einen Stadtplan des unterirdischen Düsseldorf, auf dem man vom Ständehaus ausgehend, fast die gesamte Stadt auf einer neuen Ebene erkunden kann.

  • Passend hierzu wird ein Computerspiel entwickelt, welches ihr hier finden könnt.
  • Wer die Quadraphone verpasst hat, kann sich die Fanfara Futurista auch als App runterladen. Außerdem gibt es weitere Termine für die Konzerte der besonderen Art hier.
  • Eine weitere App gibt es zum Projekt mit Olafur Eliasson.

Alle Ausstellungen konnte ich mir noch nicht ansehen, daher gibt es nun eine Liste mit den restlichen:

  • KIT – Kunst im Tunnel

Pauline M´barek – Der berührte Rand

  • IMAI – Inter Media Art Institute

The Invisble Force Behind. Materialität in der Medienkunst

  • Julia Stoschek Collection

Number Eight: Sturtevant

  • Filmmuseum Düsseldorf

Visionen und Alpträume – Die Stadt der Zukunft im Film

  • Langen Foundation

Otto Piene – Light and Air

  • KAI 10 | Arthena Foundation

Backdoor Fantasies – Urbane Atmosphären im Spiegel der Kunst

Viel Spaß beim Besuchen, Mitverfolgen und Erleben in den nächsten Monaten!
Weitere Informationen zur Quadriennale gibt es auch hier.
(MK)

Hoch hinaus

4. April 2014 § Hinterlasse einen Kommentar

HIMMEL

Die Q14 verspricht eine Reise vom Dunkel ins Licht, von tief unten bis nach ganz oben zu werden. Ich freue mich auf Kunst, die von schwarzer Verwandlung erzählen will, von wo es immer weiter, hinunter „unter die Erde“ gehen kann. Gleich nebenan, im Tunnel, wird angekündigt, dass die Kunst uns an die Hand nimmt – vielleicht, damit wir uns aus diesen Abgründen in solche, die in die Unendlichkeit verweisen, tasten können. Vom weißen Nichts kann ich im Haus gegenüber noch weiter in die Immaterialität eintauchen, bis mich im Juni die „Inflatables“ hoch in den – hoffentlich tiefblauen – Sommerhimmel mitnehmen. (RD)

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Hier die aufgeeschlüsselte Route:
Museum Kunstpalast / K21 / KIT / Kunstverein der Rheinlande und Westfalen / Langen Foundation

Das Leitthema: „Über das Morgen hinaus“

1. April 2014 § 2 Kommentare

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Über … hinaus, hinausgehend, hinausragend, eine Grenze wird überschritten. Was ist das für eine Grenze? Tun sich die Ausstellungen der Quadriennale hervor? Sind sie besser als die anderen Ausstellungen im Laufe des Jahres?
Das Morgen – es liegt zwischen dem Heute und dem Übermorgen, es befindet sich in der Zukunft. „Heute schon an morgen denken“ ist ein beliebter Werbespruch, wenn es um Vorsorge geht, sei es um deine Rente oder die Verknappung der Rohstoffe. Auch das Quadriennale-Morgen hat etwas von An-die-Zukunft-denken, aber es geht darüber hinaus. Für mich ist es nicht nur vorausschauend, sondern es möchte auch zukunftsweisend sein! (MK)

Wo bin ich?

Du siehst dir momentan die Archive für April, 2014 auf Quadratur der Kunst 2014 an.